28.01.2013

Neue Kunstformen im Netz


Kulturpessimisten, die im Internet den Untergang der hehren Kunst wittern, haben nur Angst vor dem Unbekannten.
Vor 37.000 Jahren, in einer Höhle in Südfrankreich: Ein jungsteinzeitlicher Künstler beginnt, ein Bild in die Decke einer Höhle zu ritzen. Neben dem Zeichner sitzt jemand und spielt Flöte, ein anderer schnitzt an einer Figur. Wahrscheinlich steht hinter den dreien ein älterer Stammesgenosse und erklärt ihnen ausführlich, warum das, was sie da treiben, zum Untergang der Kultur beiträgt. Man sei bislang sehr gut ohne Bilder, Musik und Statuetten ausgekommen, die Jugend könne sich auf eine gut erzählte Geschichte gar nicht mehr einlassen, und überhaupt würde man ja langsam wahnsinnig. Bei den vielen verschiedenen Ausdrucksformen, die neuerdings auf einen einstürmen, könne man sich ja kaum noch selbst denken hören.
Natürlich weiß man nicht, ob es sich so zugetragen hat. Die Vermutung liegt aber nahe. Denn jede Veränderung der medialen Gewohnheiten wird mit dem stets gleichen Misstrauen von den etablierten Kulturschaffenden beäugt. Am Anfang der Empörungskette steht zumeist das Abtun des Neuen als allenfalls technisch interessante, aber gesellschaftlich und kulturell wertlose Spielerei. Das betrifft das Fernsehen genauso wie den Film und das Radio. Selbst gedruckte Bücher, die bis zur Verbreitung des Internets größte mediale Revolution der Menschheitsgeschichte, waren Anfeindungen ausgesetzt. Es scheint ein Reflex, eine Konstante menschlichen Verhaltens zu sein, dem Status quo ante, der "guten alten Zeit", hinterherzutrauern, als das Leben einfacher und die Welt noch schön war. 
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