09.11.2012

Radiotheorie


"Ein Mann, der etwas zu sagen hat, und keine Zuhörer findet, ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer dran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat." (Bertolt Brecht)


Eine "Theorie des Radios" im Sinne eines umfassenden, in sich geschlossenen Denkmodells hat Brecht nicht verfasst. Seine so genannte "Radiotheorie" besteht aus wenigen kleineren Schriften zum Thema Rundfunk sowie aus praktischen (experimentellen) Rundfunkarbeiten. Doch hat sich ihr Innovationswert bis heute in der Debatte gehalten. Brecht stellt fest, daß das Radio nicht aus gesellschaftlicher Notwendigkeit, sondern als Zufallsprodukt entstanden sei. 1)


Bertolt Brechts sogenannte "Radiotheorie" ist eine Sammlung verschiedener Texte und spiegelt seine Auseinandersetzung mit dem damals jungen Medium Rundfunk wider. Die Radiotheorie entstand von 1927 bis 1932. Während dieser Zeit erfuhr der Rundfunk eine starke Verbreitung in der Öffentlichkeit hin zum Massenmedium. Brecht kritisiert das Radio als eine der "Erfindungen, die nicht bestellt sind.[...] Nicht die Öffentlichkeit hatte auf den Rundfunk gewartet, sondern der Rundfunk wartete auf die Öffentlichkeit". "Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen." 
Dagegen empfiehlt Brecht eine Veränderung des Radios. Der Rundfunk solle senden, aber auch empfangen. Der Hörfunk könne den Austausch zwischen Sender und Empfänger ermöglichen und zu Gesprächen, Debatten und Diskussionen genutzt werden. 
Brecht schreibt hierzu: "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen." 2)


Da der Rundfunk, wie Brecht meint, eher als Zufallsprodukt denn als auf eine gesellschaftliche Notwendigkeit hin entstanden war, wusste die Gesellschaft demzufolge nicht recht, wie sie mit der Erfindung des Rundfunks verfahren sollte. Diese Ratlosigkeit fände sich Brecht zufolge auch in der Auswahl des Rundfunkprogramms wieder.
Dies habe dazu geführt, dass der Rundfunk in dieser Phase bloß als Stellvertreter fungiert, indem er alle bestehenden Institutionen imitiert, „die irgendetwas mit der Verbreitung von Sprech- oder Singbarem zu tun hatten“, wie Oper, Theater, Konzerte oder Vorträge. Anstatt ein eigenes Programm aufzubauen, sende der Rundfunk einfach Übertragungen dieser Veranstaltungen. Dies führt Brecht dazu, nach dem „Lebenszweck des Rundfunks“ zu fragen: seiner Meinung nach kann er „nicht darin bestehen, das öffentliche Leben lediglich zu verschönern“. Der Rundfunk in dieser Form hat Brechts Meinung nach eine beliebige Gestaltung und eine zweifelhafte Funktion. 3)


Quellenangabe:
1) http://www.uni-due.de/einladung/Vorlesungen/ausblick/bre_radio.htm
2) http://www.hdm-stuttgart.de/wi/ism/forschung_entwicklung/projektmuseum/radiolexikon/radiolexikon/radiotheorie
3) http://www.hdm-stuttgart.de/ifak/medienwissenschaft/medienkritik_medienwirkung/medienutopien/medienutopien_planck